Wir schreiben den 11. Oktober 1531. Das kriegslüsterne Heer der Zürcher wartet auf einem Feld bei Kappel. Der Reformator Zwingli erhebt ein letztes Mal seine Stimme, um den Bewaffneten noch einmal klar zu machen, worum es geht: Es geht um nichts Geringeres als die Vorherrschaft der Reformierten in der Eidgenossenschaft. Zwingli will die katholischen Orte – Luzern, Uri, Schwyz, Obwalden, Nidwalden und Zug – mit Gewalt dazu zwingen, die reformierte Predigt auf ihren Kanzeln zu erlauben. Doch in nicht einmal einer Stunde ist die Schlacht vorbei. Die Zürcher sind geschlagen. Sie verlieren in der Schlacht rund jeden zehnten Bürger ihres Gemeinwesens. Und Zwingli erleidet die schlimmste Strafe, die von der Justiz gegen einen Aufrührer gegen Gott und die Obrigkeit verhängt werden kann: Er wird gevierteilt, sein Leichnam verbrannt die Asche in alle vier Himmelsrichtungen verstreut.
Ist das ein Gottesurteil über die Sache der Reformierten? Ist die Zürcher Reformation damit gescheitert?
Artikeltext:
Gottesfeind oder Märtyrer?
Zwingli war tot, und die reformierte Kirche hatte damit ihren wichtigsten Denker und wortgewaltigsten Vertreter verloren. Als wäre das nicht schon schlimm genug, verstanden Zwinglis Zeitgenossen seine Niederlage in der Schlacht und sein vorzeitiges, brutales Ende als Zeichen des göttlichen Zornes. Seine Hinrichtung wurde ihnen zum Beweis, dass die Lehre Zwinglis eine Irrlehre gewesen sein muss.
Dem „guten Tod“, bei dem der Sterbende mit allen Heilsmitteln der Kirche versehen wurde, kam nämlich seit dem Mittelalter eine zentrale Bedeutung zu: Er garantierte dem reuigen Sünder den Eingang ins Paradies. Der plötzliche Tod galt als schrecklich, da er den Menschen seiner letzten Chance zur Umkehr beraubte. Deshalb grüßt uns heute noch so mancher Christopherus von den Außenwänden der mittelalterlichen Kirchen; deshalb findet sich in vielen Autos eine Plakette des heiligen Christopherus: Er schützt(e) vor dem plötzlichen Ableben.
Für die Erzketzer dagegen hatte Gott – so die Überzeugung der Zeitgenossen – ein vorzeitiges und ganz besonders grausames Ableben vorgesehen: Zum Beispiel das Vierteilen wie bei Zwingli, oder – wie man es dem Erzketzer Arius zuschrieb – das Aufplatzen auf dem Abort. Die Art des Todes galt eben im 16. Jahrhundert als Indikator des Gnadenstands eines Menschen.
Nicht umsonst gibt es so viele (protestantische) Darstellungen des fromm in seinem Bett sterbenden Luther. Der war ganz Kind seiner Zeit und interpretierte den Tod Zwinglis ebenfalls als Gottesurteil: „Während ich in Coburg war, lehrten mich diese Kommentare über meine Gegner die wahre Bedeutung der Worte der Zehn Gebote ‚Denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifersüchtiger Gott.’ Es handelt sich nämlich [bei Gottes Strafen] nicht so sehr um eine grausame Bestrafung von Gegnern, sondern um eine notwendige Selbstverteidigung. Man sagt, dass Zwingli kürzlich genauso starb; falls seine Irrlehre gesiegt hätte, wären wir untergegangen, wir wären verschwunden und unser Bekenntnis mit uns. Es war ein Gottesurteil. Sie [die Zürcher] waren immer ein hochmütiges Volk. Die anderen, die Papisten, werden wahrscheinlich genauso von unserem Herrn und Gott abgetan werden.“
Erasmus von Rotterdam, der große Humanist, sah das genauso: Der Tod der beiden Prädikanten Zwingli und Oecolampad ... hat uns befreit von großer Furcht. Dies ist ein wunderbares Eingreifen der Hand Gottes in der Höhe. Wenn die Kriegsgöttin sie begünstigt hätte, wäre es vorbei gewesen mit uns.“
Und mit diesem Wissen versetzen wir uns in die Rolle der Zürcher, die sich nach ihrer Niederlage im so genannten Zweiten Kappelerkrieg verzweifelt in die Stadt zurückschleppen. Sie müssen sich eingestehen, dass all ihre hochfliegenden Pläne gescheitert sind. Aber ist der Grund? Hybris? Gottes Ungnade? Die eigene Sündhaftigkeit?
Bald endeten die Zweifel und die Zürcher interpretierten das Geschehen zu Gunsten der Reformation. Denn bereits Mitte November erklärte ihnen wieder ein wortgewaltiger Prediger Gottes Willen (oder wenigstens das, was er und der Stadtrat dafür hielt). Heinrich Bullinger hatte nach Zwinglis Niederlage seine Pfarrei in Bremgarten verlassen müssen, weil dort die reformierten durch katholische Prediger ersetzt worden waren. Er ging nach Zürich, wo er bereits am Sonntag nach seiner Ankunft, wie es ein Zeitgenosse überliefert, „eine Predigt herunterdonnerte, dass es vielen vorkam, Zwingli sei nicht tot, sondern gleich dem Phoenix wieder auferstanden“. Bereits im Dezember des Jahres 1531 wählte der Zürcher Rat den 27jährigen zum Antistes, also zum Oberhaupt der Zürcher Kirche. Eine kluge Wahl. Bullinger war nicht Zwingli, und er setzte mehr auf Ausgleich als auf Konfrontation. In den 44 Jahren, in denen der Zürcher Rat in Zusammenarbeit mit Bullinger die politischen Ideen Zwinglis in die Realität umsetzte, eroberte sich die Stadt ihre Reputation zurück, auch wenn sich die Reformierten Europas nach der Zürcher Niederlage eher an Genf als an Zürich orientierten.
Mit Bullinger kehrte auch der Stolz der Stadt auf ihren Reformator zurück: Exakt 50 Jahre nach dem Tod Zwinglis, im Jahr 1581, legte der Zürcher Drucker Christoph Froschauer der Jüngere, der Sohn eben jenes Christoph Froschauer, der Zwinglis Thesen mit dem berühmten Wurstessen zum ersten Mal öffentlich in die Tat umgesetzt hatte, alle Werke Zwinglis neu auf. Diese Gesamtausgabe war ein Statement: Zwingli, der verehrte Reformator Zürichs, war nicht als Ketzer gestorben, sondern als Märtyrer für den wahren Glauben. Der Nachfolger Bullingers, Antistes Rudolf Gwalther, übernahm es höchstpersönlich, dem christlichen Leser Zwinglis Werk ans Herz zu legen. Diese Gesamtausgabe kann als offizielle Rehabilitation Zwinglis verstanden werden, zu dessen Lehren sich die Stadt Zürich stolz bekannte.
Wer aber war dieser Huldrych Zwingli? Und warum waren und sind seine Schriften von Bedeutung? Dem MoneyMuseum in Zürich ist es im Frühjahr 2021 gelungen, auf einer Versteigerung des Münchner Auktionshauses Hartung & Hartung ein komplettes Exemplar dieser Gesamtausgabe zu erwerben. Grund genug, dieses wichtige Zeugnis der Zürcher Reformationsgeschichte vorzustellen.
Wer war Huldrych Zwingli?
Die wichtigsten Daten zur Karriere des großen Reformators können Sie in jedem Lexikon nachlesen. Allerdings ist es erschreckend, dass die meisten Einträge noch heute eher einer Hagiographie gleichen als einer historischen Aufarbeitung. Das liegt daran, dass ein großer Teil der Forschungsliteratur zur Schweizer Reformation bereits im 19. Jahrhundert entstanden ist. Damals tobte auch in der Schweiz der Kulturkampf: Politiker diskutierten mit heißen Köpfen die Frage, in welchem Verhältnis Kirche und Staat zueinander stehen sollten. Was damals an so genannter Forschungsliteratur entstand, diente oft eher dazu, die politische Position des Autors zu untermauern, als Zwinglis Person zu verstehen.
Zwingli wurde 1484 als Sohn eines wohlhabenden Beamten und bäuerlichen Unternehmers geboren. Sein Onkel väterlicherseits, ein Dekan und damit hoher Amtsträger der Kirche, sorgte dafür, dass der intelligente Bub eine hervorragende Ausbildung erhielt. Zwingli besuchte Schulen in Basel und Bern sowie Universitäten in Wien und Basel. 1506 weihte ihn der Konstanzer Bischof zum Priester.
Noch im selben Jahr trat Zwingli seine erste Pfarrstelle in Glarus an. Hier kam er mit einer kirchlichen Praxis in Berührung, die er später als Simonie verurteilen sollte: Ein kirchliches Amt bedeutete nämlich nicht nur Verantwortung, sondern vor allem stetige Einkünfte. Deshalb kauften sich wohlhabende Geistliche oft freie Pfarrstellen, deren Einkünfte sie bezogen, während sie ihren Stellvertretern die Seelsorge überließen. Der Zürcher Chorherr Heinrich Göldi hatte dem Konstanzer Bischof Geld für die Glarner Pfarrstelle bezahlt. Die Glarner jedoch, die ihr Recht auf die freie Pfarrerwahl gegenüber dem Konstanzer Bischof durchsetzen wollten, fanden in Zwingli einen Gegenkandidaten. Es kam zu einem Kompromiss: Göldi verzichtete, Zwingli musste aber eine hohe finanzielle Entschädigung leisten. Diese brachten die Glarner auf. Nun war Zwingli bei ihnen verschuldet. Eine interessante Vorstellung, die erklären könnte, warum Zwingli in diesen Jahren das Reisläufertum so vehement unterstützte und gut daran verdiente.
Zwingli und das Schweizer Söldnerwesen
Söldner beherrschten im 16. Jahrhundert das Kriegswesen. Es war ein hervorragendes Geschäft: Hauptleute, meist Angehörige des niedrigen Adels oder Nachgeborene der bürgerlichen Oberschicht, stellten eine Truppe zusammen und vermieteten sie an den Meistbietenden. Man muss sich diese Hauptleute als Unternehmer vorstellen. Sie warben all die überflüssigen Bauernsöhne an, die keine Perspektive in der Heimat sahen, und verhandelten im Namen der Truppe mit den Auftraggebern. Kein Wunder, dass die Hauptleute den größten Gewinn beim Reislaufen machten, und dass sie, die ihrerseits beste Verbindungen in die Regierungsgremien hatten, ihre Interessen auf höchster Ebene vertreten konnten.
Um die staatszersetzende Erfahrung zu vermeiden, dass Mitbürger sich auf dem Schlachtfeld gegenseitig bekämpften, wurde die Frage, auf welcher Seite Truppen in den Krieg eintreten sollten, gemeinsam entschieden – im Glarus von der Landsgemeinde.
Solche Entscheidungen konnten den Ausgang eines Krieges beeinflussen, und so besoldeten viele Herrscher Agenten, die den Meinungsmachern ihre Perspektive suggerierten. Zwingli zum Beispiel erhielt jährlich 50 Gulden von päpstlicher Seite, um die Position der Kirche zu vertreten. Er nahm selbst als Feldgeistlicher an vielen Kriegszügen teil, auch an der siegreichen Schlacht von Novara und der schrecklichen Niederlage von Marignano. Die hohen Verluste, die die Schweizer damals erlitten, brachte eine politische Wende: Zwingli stand als Unterstützer des Papsts plötzlich im Abseits. Er konnte sich nicht länger im Glarus halten und wechselte an den Wallfahrtsort Einsiedeln.
Volks- oder Aberglaube?
Die Abtei von Einsiedeln war ein überregionaler Wallfahrtsort, der mit der Engelweihe ein Fest feierte, zu dem jedes Jahr im September gewaltige Ströme von Pilgern zogen. Wie viele Menschen kamen, illustriert eine Zahl: Im Jahr 1466 sollen an den kleinen Buden vor der Abtei rund 150.000 Pilgerzeichen verkauft worden sein.
Ein großartiges Geschäft! Und ein Ärgernis für viele fromme Menschen wie Zwingli. Er entwickelte sich zu einem der radikalsten Kämpfer gegen die katholische Heiligenverehrung.
Zwingli nutzte seine Zeit in Einsiedeln, um sich mit den zeitgenössischen Humanisten zu vernetzen. Er kontaktierte Erasmus von Rotterdam und positionierte sich als vehementer Gegner des Reislaufens, was man in Zürich mit Interesse wahrnahm. Dort nämlich suchte man einen neuen „Leutpriester“ für das Großmünster, der mit seinen Predigten die Zürcher davon abhielt, Dienste im fremden Sold zu suchen.
Eine Reformation unabhängig von Luther
Am 1. Januar 1519 trat Zwingli sein Amt am Großmünster an. Gleich bei seiner ersten Predigt wich er von der üblichen Praxis ab: Statt über das Tagesevangelium zu predigen, erläuterte er den Bürgern die ersten Abschnitte des Evangeliums nach Matthäus. Er fuhr damit Sonntag für Sonntag fort. Einen Abschnitt nach dem anderen. Und als er mit Matthäus durch war, begann er mit der Apostelgeschichte. Natürlich waren Zwinglis Thesen umstritten. Sie wichen in vielen Punkten von traditionellen Lehrmeinungen ab.
Doch ehe es zum Streit darüber kommen konnte, suchte eine Pest die Stadt im Sommer des Jahres 1519 heim. Jeder vierte Bewohner starb. Auch Zwingli, der weiterhin seine seelsorgerischen Aufgaben versah, erkrankte. Doch im Gegensatz zu vielen anderen überlebte er. Nicht nur Zwingli sah darin ein Zeichen Gottes. Viele Bürger glaubten, dass die Stadt mit der Pest für ihr sündhaftes Leben bestraft worden war. Was lag also näher, als auf den Auserwählten zu hören, den Gott selbst durch seine Heilung gerettet zu haben schien. Zwingli gewann so die Autorität, die Zürcher Kirche zu reformieren.
Wir müssen an dieser Stelle nicht die vielen theologischen Details wiederholen, in denen Zwinglis Auffassung von der abwich, die in der katholischen Kirche gelehrt wurde. Moderne Menschen fragen sich sowieso, warum man sich im 16. Jahrhundert über die Form der Anwesenheit Christi in der Kommunion die Köpfe einschlagen konnte. Eines aber ist von entscheidender Bedeutung: Zwinglis Lehren rechtfertigten es, dass die Zürcher Obrigkeit in einem bis dahin nie gesehenen Maße die Kontrolle über ihre Bürger übernahm: Durch eine Beseitigung der katholischen Sondergerichtsbarkeiten innerhalb der Stadt und ihrer Herrschaften war es auf einmal im gesamten Zürcher Gebiet möglich, ein einheitliches Recht durchzusetzen. Das Recht, alle Pfarrer in ihre Ämter zu berufen, ermöglichte es dem Rat genau zu kontrollieren, was auf der Kanzel gelehrt wurde. Nicht zu vergessen die Beteiligung säkularer Beamter an den Kirchengerichten, die über das sittliche Verhalten ihrer Schäfchen urteilten. Sie versprach der Zürcher Obrigkeit eine Machtfülle, wie sie sich niemand zuvor hätte erträumen können. Natürlich ging es auch um die Gnade Gottes, aber dass sie mit einem so großen Gewinn an Einfluss und Einkünften einhergehen sollte, war in den Augen der Zürcher Räte sicher kein Schaden.
Als nun die Tagsatzung am 22. Dezember 1522 empfahl, die neue Lehre zu verbieten, ging der Zürcher Rat in die Offensive: In zwei öffentlichen Disputationen stellte die Stadt theologische Inhalte zur Diskussion und fällte selbst die Entscheidung darüber, was in Zürich gelten sollte. Das war revolutionär: Bisher hatte die Kirche die Lehrmeinung beherrscht. Nun übernahm mit dem Zürcher Rat ein säkulares Gremium die Kontrolle über die theologische Lehrmeinung und setzte sie konsequent in die Tagespolitik um, ohne sich für die Position der kirchlichen Autorität zu interessieren.
Die Vernichtung der Wiedertäufer
Dass es sicher nicht ausschließlich um Glaubensinhalte ging, sieht man am besten am Schicksal der Wiedertäufer. Sie waren ein radikaler Flügel der Zürcher Reformierten, denen nicht gefiel, welch entscheidende Rolle Zwingli dem Zürcher Rat in theologischen Fragen einräumte. Die Wiedertäufer kämpften dafür, einem geistlichen Gremium die Kontrolle über Glaubensinhalte zu überlassen. Was uns heute sinnvoll erscheint, wurde im Zürich des 16. Jahrhunderts brutal bekämpft: Zwingli verfertigte mit seiner Schrift „Wer Ursache gebe zu Aufruhr“ die moralische Rechtfertigung für den Rat, die Wiedertäufer abzutun. Die theologische Frage, ob Kinder oder Erwachsene zu taufen seien, war nur ein Vorwand. Er diente dazu, diejenigen auszusondern, die nicht bereit waren, sich in Glaubensfragen dem Zürcher Rat unterzuordnen. Sie wurden auf Ratsbeschluss vom 7. März 1526 hingerichtet.
Die Reformation spaltet die Schweiz
Zwingli war zunächst unglaublich erfolgreich. In vielen Ständen der Schweiz förderte die Obrigkeit die Predigt von Reformatoren, die ähnliche Botschaften verkündeten. In nur wenigen Jahren setzte sich die neue Lehre in den wichtigen Zentren der Schweiz durch: Basel, Bern, Biel, Genf, Schaffhausen und St. Gallen schlossen sich der Reformation an. In anderen Kantonen entstanden starke Gruppierungen, die der Reformation anhingen und damit ein Gegengewicht zur katholischen Obrigkeit bildeten. Es schien nur noch eine Frage der Zeit, wann auch dort die Reformierten die Überhand gewinnen und so die Tagsatzung unter ihre Kontrolle bringen würden. Zürich hoffte, sich zur Vormacht zu entwickeln. Seiner wirtschaftlichen und militärischen Macht in Verbindung mit der Autorität Zwinglis schien niemand gewachsen zu sein.
Natürlich entwickelte sich Widerstand. Die katholischen Kantone schlossen sich 1524 zur Liga der fünf Orte zusammen. Und die Bewohner der von den Städten beherrschten Gebiete erhoben sich in den so genannten Bauernkriegen, um ihre eigenen Forderungen zu stellen. 1525 hob Zürich daraufhin die Leibeigenschaft auf und räumte der Landbevölkerung in beschränktem Maße Mitbestimmung ein.
Außenpolitisch hoffte Zürich auf Drängen Zwinglis den letzten katholischen Widerstand durch die beiden Kappeler Kriege zu brechen. War während des ersten Kappelerkriegs eine blutige Auseinandersetzung durch einen Kompromiss verhindert worden, brachte der zweite Kappelerkrieg mit dem Tod Zwinglis das Ende der Zürcher Großmachtfantasien.
Im Zweiten Kappeler Landfrieden vom 20. November 1531 anerkannten die Parteien die konfessionelle Spaltung der Schweiz, die mehr als 300 Jahre andauerte. Sie gab allen Ständen die Kompetenz zu entscheiden, welcher Konfession ihre Bürger angehören sollten.
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Was von Zwingli bleibt
Sich heute in das Werk Zwinglis zu vertiefen, wird vielen Lesern schwer fallen. Die Lektüre der im MoneyMuseum aufbewahrten drei Bücher wird dadurch erschwert, dass sich Christoph Froschauer der Jüngere dafür entschied, die Texte Zwinglis in lateinischer Sprache zu publizieren, obwohl es von den meisten auch deutsche Versionen gab. Er tat dies, um Zwingli auf eine Stufe mit den Kirchenvätern zu stellen, deren Werke ebenfalls in der Gelehrtensprache Europas verfasst waren. Doch mit der Rückkehr des Lateinischen in die Theologie ging die Kompetenz, die Aussagen Zwinglis zu interpretieren, wieder auf die gebildete Geistlichkeit über.
Was ist von Zwinglis Werk geblieben? Seine umfangreichen Kommentare zu den verschiedenen Büchern der Bibel, deren komplette Übersetzung Zwingli noch vor dem Übersetzungsteam um Luther vorlegte, interessieren heute allenfalls noch Theologen. Genauso steht es um sein Hauptwerk, den Commentarius de vera et falsa religione (= Kommentar über die wahre und falsche Religion). In ihm fasst Zwingli zusammen, hinsichtlich welcher Glaubensinhalte sich die Reformierten von den Katholiken unterscheiden. Wobei heute sicher niemand mehr den Fragen der Realpräsenz Christi im Abendmahl oder der allein gültigen Zahl der Sakramente Beachtung schenkt.
Mit einem aber hat Zwingli unsere Geschichte nachhaltig geprägt: In vielen Werken formulierte Zwingli seine Überzeugung, dass der Staat die Aufgabe habe, seine Bürger zum Wohlverhalten zu zwingen, wenn es zum Wohl der Allgemeinheit sei. Und die Gunst Gottes durch ein gottgefälliges Leben zu erringen, hielt Zwingli für das Beste, was einer Gemeinschaft zustoßen könne.
Darüber mag man heute anderer Meinung sein. Doch noch immer diskutieren wir, wie man den freien Wille des Menschen und die Interessen der Allgemeinheit in Einklang bringen kann. Wenn wir uns heute fragen, ob ein Staat das Recht oder sogar die Pflicht habe, seine Bürger zu einer Impfung gegen Corona zu zwingen, wäre die Position Zwinglis eindeutig: Der Staat hat jedes Recht gegenüber dem Individuum, solange es der Gemeinschaft nutzt.
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