Die Zeit war reif. Der reiche Bierfabrikant Thomas Fowell Buxton erhielt den Beifall der besten englischen Gesellschaft, wenn er bei Dinners und Teegesellschaften davon sprach, dass kein fühlendes Wesen das Übel der Sklaverei länger dulden könne. Nun hatte zwar ein britischer Richter bereits im Jahr 1772 ein Urteil gefällt, nach dem es mit britischem Recht nicht vereinbar sei, dass ein Mensch einen anderen besitzen könne, und durch den Slave Trade Act von 1807 war der Sklavenhandel im ganzen britischen Weltreich illegal geworden. Doch die Sklaverei war geblieben. Gegen sie kämpfte Buxton. Er schaffte es als Mitglied des Parlaments mit enormer Unterstützung aus der englischen Bevölkerung, ein Gesetz durchzubringen, das die Sklaverei endlich auch in den britischen Kolonien verbot.
Doch damit endete weder die Sklaverei in all den anderen Nationen, noch der internationale Sklavenhandel. Schließlich war beides ein anerkanntes Geschäftsmodell. Und weder die weißen Sklavenbesitzer, noch die Händler, und schon gar nicht die afrikanischen Lieferanten waren bereit, auf ein lukratives Business zu verzichten, nur weil sich die moralischen Vorstellungen der Engländer geändert hatten. Schließlich behandelten diese ihre Arbeiter in den eigenen Fabriken auch nicht wesentlich besser als Sklaven.
Im Vereinigten Königreich sah man das natürlich anders. Die Sklaverei auf den Plantagen, das war das Übel, das es zu beseitigen galt. Den europäischen Nachbarstaaten oder gar den gerade unabhängig gewordenen Vereinigten Staaten von Amerika konnte man leider keine Vorschriften machen. Deshalb, so Buxton, müsse man das Übel an der Wurzel ausrotten und den Nachschub in Afrika abschneiden. Und um dieses Vorgehen mit Argumenten zu untermauern schrieb Buxton im Jahr 1839 ein mit großem Beifall aufgenommenes Buch mit dem Titel „The African Slave Trade and its Remedy“. Das Buch, das wir Ihnen an dieser Stelle präsentieren wollen, ist die deutsche Übersetzung des englischen Bestsellers. Ihr Titel lautet „Der afrikanische Sklavenhandel und seine Abhülfe“.
Artikeltext:
Die Überlegenheit des British Way of Life
Thomas Fowell Buxton, der Autor, war das, was wir heute einen Gutmenschen nennen würden. Überzeugt vom christlichen Ideal der brüderlichen Menschenliebe kämpfte er gegen viele Dinge, die auch uns heute barbarisch anmuten. Er war ein Sozialreformer, der Geld für die Londoner Weber sammelte, die durch die Industrialisierung ins Elend getrieben worden waren. Er forderte die Verbesserung der Haftbedingungen, sprach sich gegen die Todesstrafe, gegen Tierquälerei, die indische Witwenverbrennung und Lotterien aus.
Uns interessieren im Zusammenhang mit seinem Buch vor allem seine Ideen, die Sklaverei auszurotten. Er skizzierte sie in seinem Buch “The African Slave Trade and its Remedy”. Zusammengefasst forderte er die britische Regierung auf, ihren Einfluss geltend zu machen, um die afrikanischen Herrscher zu Verträgen zu „überreden“, die sie davon abhielten, weiterhin überflüssige Kinder ihres Volkes oder Kriegsgefangene als Sklaven zu vermarkten. Stattdessen sollten sie mit dem wirtschaftlich expandierenden England Verträge abschließen, um mit anderen Rohstoffen und landwirtschaftlichen Erzeugnissen Handel zu treiben. Die christliche Mission sollte den „Wilden“ dafür die westlichen Ideale nahe bringen.
Die Niger Expedition
Am 1. Juni 1840 lud Buxton als Präsident der Society for the Extinction of the Slave Trade and for the Civilization of Africa (= Gesellschaft zur Ausrottung des Sklavenhandels und für die Zivilisierung von Afrika) zu einem Treffen. Er genoss höchste Unterstützung. Prinz Albert, Gemahl der Königin Victoria, übernahm selbst den Ehrenvorsitz. Sir Robert Peel, einer der führenden Politiker des Landes, hielt eine begeisterte Rede, der nahezu 4.000 Besucher aufmerksam lauschten.
Sie alle waren von Buxtons Idee begeistert, die Sklaverei abzuschaffen, indem man den (hoffentlich gewinnbringenden) Handel mit Afrika förderte und die Bekehrung der Afrikaner vorantrieb. Die Regierung war irritiert, sah sich aber auf öffentlichen Druck gezwungen, die diplomatisch-missionarische Expedition der Gesellschaft finanziell zu unterstützen.
Die reiste mit hohen Erwartungen und zwei in England erzogenen Prinzen aus Ghana erst nach Afrika und dann Niger aufwärts. Liberale Zeitungen in ganz Europa berichteten über den britischen Vorstoß. Er wurde heiß diskutiert, lag aber im Trend. Europäische Liberale feierten Buxton für seinen vielversprechenden Vorschlag. Es lag im Trend, Geschäft und christliche Nächstenliebe zu vereinbaren.
Ein deutscher Verlag wittert ein gutes Geschäft
Auch in Deutschland sprach die bessere Gesellschaft über diese Expedition, also witterte der deutsche Brockhaus Verlag ein gutes Geschäft. Der 31jährige Gustav Julius wurde beauftragt, schnellstens eine Übersetzung von „The African Slave Trade and its Remedy“ ins Deutsche anzufertigen. Julius war ein vielversprechender Journalist, der sich zu einem energischen Unterstützer der deutschen Revolution von 1848 entwickeln sollte. Für wie wichtig ihn seine Zeitgenossen hielten, mag die Tatsache illustrieren, dass auf seiner Beerdigung unter anderem Karl Marx und Ferdinand von Freiligrath anwesend waren.
Eine Einleitung über die zum Zeitpunkt der Drucklegung des Buches topaktuelle Expedition an den Niger lieferte Carl Ritter, damals ein äußerst bekannter und beliebter Professor, der einen Lehrstuhl für Erd-, Länder-, Völker- und Staatenkunde an der Berliner Universität innehatte. Ritter galt nicht nur als großer Kenner Afrikas, sondern war selbst ein überzeugter Gegner der Sklaverei und des Sklavenhandels.
Hohe Erwartungen und die Realität
Die hochfliegenden Hoffnungen der englischen Zivilisationsbringer scheiterten an den lokalen Gegebenheiten. Binnen Wochen starb von den 150 europäischen Expeditionsteilnehmern ein Drittel, fast alle litten an Fieber, so dass dem Leiter nichts anderes übrig blieb, als die Expedition bereits 1842 wieder abzubrechen.
Nichtsdestotrotz, die Buxtons Ideen inspirierten: Der Schotte David Livingston machte sich wie viele junge Geistliche seiner Generation auf nach Afrika, um den Schwarzen das Christentum zu bringen. Und Charles Darwin hielt in seinem Roman „The Bleak House“ in der Gestalt von Mrs. Jellyby all denen einen Spiegel vor, die in einer großen Geste ihre Gefühle auf die „armen Negerlein“ in Afrika konzentrierten, um so sehr effektiv ihren Mangel an christlicher Nächstenliebe für ihre engste Umgebung zu bemänteln. Und auch in Deutschland ist es noch nicht allzu lange her, dass mit kleinen „Nick-Negerlein“ Spenden für die Mission gesammelt wurden.
Heute sind wir etwas fassungslos über die Naivität, mit der ein weißer Mann glaubte, Afrika das Heil durch Geschäft und christliche Ideale zu bringen. Aber sind wir wirklich so viel weiter gekommen, wenn wir immer noch glauben, dass unsere Vorstellungen von freier Marktwirtschaft und Demokratie für alle Gesellschaften das richtige sind?
Was Sie sonst noch interessieren könnte:
Gekauft haben wir dieses Buch im Antiquariat Hohmann.
Das ganze Buch „Der afrikanische Sklavenhandel und seine Abhülfe“ können Sie bei Google lesen.
Das englische Original „The African Slave Trade and its Remedy“ finden Sie ebenfalls bei Google.
Leider gibt es Rassismus nicht nur in Geschichtsbüchern, sondern auch heutzutage noch in den verschiedensten Formen. Die Bundeszentrale für politische Bildung stellt hier eine aktuelle Zeitschrift zum Thema (Anti-)Rassismus kostenlos als Buch, EPub oder PDF zur Verfügung, mit der Sie sich informieren können.