Nein, Sir Arthur Conan Doyle hat seinen Adelstitel nicht für seine Sherlock-Holmes-Geschichten erhalten, auch wenn ihm das seine Leser durchaus gegönnt hätten.
Doyle prägte mit seinem unfehlbar kombinierenden Privatdetektiv Sherlock Holmes den Detektivroman nachhaltig. Seit 1887 verlaufen Detektivgeschichten nach seinem wohl erprobten Muster: Am Anfang steht die Tat. Und diese Tat ist ein Mysterium. Ihre grausamen und gespenstischen Züge erschließen sich weder den Zeugen, noch der Polizei, die mit ihren beschränkten Methoden daran scheitert, das Geschehen aufzuklären. Erst Sherlock Holmes, der geniale Detektiv ist in der Lage, durch sorgfältigste Beobachtung und messerscharfe Deduktion Licht ins Dunkel zu bringen. Dem Leser geht es dabei wie Dr. Watson, unermüdlicher Begleiter des Detektivs. Er steht bis zuletzt vor einem Rätsel, das Sherlock Holmes erst in einer dramatischen Schlussszene auflöst.
Soweit, so gut. Für uns scheint das, was Sherlock Holmes leistet, nichts Besonderes zu sein. Zu allgegenwärtig sind Detektivgeschichten à la Sherlock Holmes geworden. Ob Gilbert Keith Chesterton mit seinem Pater Brown, ob Agatha Christie mit Hercule Poirot und Miss Maple, ob Umberto Eco mit dem Franziskanermönch William von Baskerville, sie alle präsentieren die ultimative Detektivgeschichte nach Doyles Strickmuster.
Doch die Sherlock Holmes-Geschichten bieten mehr als ihre Handlung. Sie sind ein perfektes Abbild der englischen Gesellschaft zur Zeit der Jahrhundertwende. Wir treffen hier all die Gentlemen der Londoner City in der ihnen typischen Umgebung, all die Abenteurer des Britischen Empire, die von ihrer Vergangenheit eingeholt werden. Wir besuchen Clubs und Landsitze und lernen die Straßenjungen kennen, die Holmes gerne für seine Zwecke anheuert. Frauen spielen dabei zumeist eine Nebenrolle. Mit einer Ausnahme. In „Skandal in Böhmen“ findet Sherlock Holmes in Irene Adler eine Gegenspielerin, die ihm nicht nur gewachsen, sondern sogar überlegen ist. Es ist bezeichnend, dass Irene Adler keine britischen Wurzeln hat, sondern aus dem für London damals höchst exotischen Böhmen stammt.
Doyle konzipierte seine Romane so realitätsnah, dass viele Leser darauf beharrten, Sherlock Holmes als reale Persönlichkeit zu begreifen und bei seinem literarischen Tod Trauer zu tragen. Es ist deshalb ein eigenes intellektuelles Vergnügen, die Romane nicht als Literatur, sondern als historische Quelle zu behandeln.
Arthur Conan Doyle hätte nichts dagegen gehabt. Er war seines Sherlock Holmes sowieso bald müde und versuchte, mit anderen ambitionierten Projekten die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu erregen. Er überquerte die Maienfelder Furka auf Skiern, nahm am Burenkrieg teil und veröffentlichte in einer fulminanten Streitschrift die (durchaus realen) Gräueltaten des belgischen Königs im Kongo. Doch was war ein Genozid gegen die raffiniert eingefädelten Verbrechen eines Professors Moriarty?
Es mag deshalb durchaus ein Trost für Arthur Conan Doyle gewesen sein, dass zumindest die Queen sein Leben anders einschätzte, und er seine Erhebung in den Ritterstand nicht Sherlock Homes, sondern einem Werk über den Burenkrieg verdankte.