Wissen um die Einfachheit wollte der Ingenieur Jacob Leupold (1674-1727) vermitteln. Seine Kollegen füllten Bücher mit visionären Apparaturen, die (noch) nicht realisierbar waren, der sächsische Mechanicus hingegen stand mit beiden Beinen im Leben. Als gelernter Handwerker und Tüftler wusste er, was seine Zunftgenossen brauchten, um gut arbeiten zu können: solide Kenntnisse der Mechanik und anwendbaren Physik.
Leupold hatte nach einer handwerklichen Ausbildung studiert, weil er zu schwächlich war für die harte körperliche Arbeit. Er begriff, dass der Einsatz von Maschinen vieles erleichtert. Zwar gab es Bücher, in denen solche Apparaturen vorgestellt wurden, sogenannte „Theatra machinarum“, also „Schauplätze von Geräten“. Doch die Autoren hatten sich an adligen Grossprojekten erprobt wie Palästen oder Lustgärten, sie schindeten Eindruck mit ihren elaborierten und kostspieligen Gerätschaften. So einfach wie möglich, effizient und nützlich, das waren dagegen Leupolds Kriterien. In der Welt der Akademiker machte er sich so keine Freunde. Doch die Qualität seiner Arbeit überzeugte Kaiser Karl VI., August den Starken und die Akademie der Wissenschaften. Sie finanzierten dem Ingenieur ein Großprojekt: das erste umfassende Handbuch der Technik in deutscher Sprache! In dieser Enzyklopädie sollten „alle Regeln, Gesetze und Vortheile, die nicht nur zur Erfindung, sondern auch zur Verfertigung, Beurtheilung und Gebrauch der Machinen und Instrumenten dienen und zu wissen nöthig seyn, gelehret werden“.
1724 erschien der erste Band von Leupolds „Theatrum Machinarum“, 1725 bereits der hier vorliegende vierte, der dem „Heb-Zeuge“ gewidmet ist. Da seine Schrift sich nicht an gelehrte Stubenhocker wandte, hatte Leupold sie auf Deutsch verfasst, nur allgemein bekannte Fachbegriffe gibt er zusätzlich auf Latein an. Tafel XXXIV führt exemplarisch vor Augen, was Leupolds Werk ausmacht. Zu sehen ist ein funktionstüchtiger, aber sehr komplexer Kran von Jacques Besson. Daneben stellt Leupold seine eigene schlichte Maschine, die zum selben Ergebnis führt. In diesen Tafeln steht das Gerät im Vordergrund, nüchtern und ohne schmückendes Beiwerk. Didaktisch sinnvoll bietet Leupold den Lesern maßstabsgerechte technische Projektionszeichnungen, in denen er Details hervorhebt. Es handelt sich nicht um Baupläne, sondern um Beispielvorlagen. Leupold war es wichtig, dass die Baumeister ihre Geräte den örtlichen Gegebenheiten anpassten und nicht einfach Idealtypen kopierten.
Doch wer waren die Leser? Das „Theatrum machinarium“ war angelegt auf über zwanzig Bände, von denen Leupold vor seinem Tod nur sieben herausgeben konnte. Nicht zuletzt die vielen Tafeln hoben den Preis derart, dass kein einfacher Handwerker sich dieses Schmuckstück in seine Werkstatt hätte stellen können. Aber vermutlich ließen sich seine Auftraggeber inspirieren und konnten ihren Ingenieuren und Instrumentenbauern ein Do-it-yourself-Kompendium in die Hand drücken. Sie sparten so im besten Fall Arbeitszeit und Material.
Ursprünglich hatten die Herausgeber eine französisch-lateinische Ausgabe angedacht, attraktiv für den internationalen Markt. Doch war das gar nicht nötig: Interessierte Leser konnten ja einfach Deutsch lernen! So wie der berühmte englische Ingenieur und Erfinder James Watt, der Deutsch einzig zu dem Zweck lernte, um sein Wissen um die praktische Physik durch Leupolds Werk zu erweitern – und mit diesen neuerworbenen Kenntnissen seine Dampfmaschine zu entwickeln.