1714 bestätigte der Frieden von Rastatt, dass das Elsass kein Teil des Heiligen Römischen Reiches mehr sei, sondern politisch zu Frankreich gehöre. Wirtschaftlich gliederte Ludwig XIV. das Gebiet nicht an. Die Zollgrenzen verliefen weiterhin am Rand der Vogesen, und viele Städte und Gemeinden behielten eine große Selbstständigkeit, was das Elsass zu einer Zone machte, in der die deutsche und die französische Kultur einander begegneten und sich gegenseitig beeinflussten.
Möglich machten das Menschen wie Johann Daniel Schoepflin, den wir heute vor allem deswegen kennen, weil er ein Lehrer Goethes war. Das war zu der Zeit, als dieser in Straßburg studierte und sein Buch über „Die Leiden des jungen Werther“ schrieb. Die Europa umspannende Reputation Schoepflins zog damals viele Mitglieder des Adels und des reichen Bürgertums nach Straßburg. Goethe war nur einer von vielen.
Schoepflin lehrte seit 1720 Geschichte und Rhetorik an der Straßburger Universität. Und er blieb in seinem geliebten Straßburg, obwohl er aus der ganzen Welt glänzende Angebote erhielt: Die Universitäten von Frankfurt an der Oder, von Uppsala in Schweden und von Leiden sowie die Akademie in St. Petersburg hätten sich zu gerne mit seinem Ruhm geschmückt. Maria Theresia bot ihm das Amt des Hofbibliothekars in Wien und des Erziehers von Joseph II. an. Schoepflin lehnte ab.
Straßburg bot ihm die akademische Freiheit, die er brauchte, um sein umfangreiches wissenschaftliches Oeuvre zu veröffentlichen. Dazu gehört auch die Alsatia illustrata, eine umfassende illustrierte Geschichte des Elsass, die den Zeitraum von der Antike bis zu seiner eigenen Gegenwart umspannte. Sie teilt sich in zwei Bände. Im ersten Band von 1751 behandelte er die keltische, römische und fränkische Zeit. Den zweiten Band schrieb er über die jüngere Vergangenheit, über die Epoche, in der das Elsass zuerst zum deutschen, dann zum französischen Reich gehörte. Dieser reich illustrierte Band liegt hier vor.
Unter Schoepflins Zeitgenossen galt seine Geschichte als vorbildlich und epochal. Er hatte mehr als 20 Jahre lang das Material dafür gesammelt und nutzte alle ihm zugänglichen Quellen. Der erste Band, der heute wissenschaftlich überholt ist, basiert auf archäologischen Funden. Der zweite Band verarbeitet die Quellen, die er in den Archiven fand. Weil Schoepflin so gute Verbindungen zum französischen und deutschen Adel besaß, standen ihm ihre Archive offen. So konnte er Quellen einbeziehen, die in den späteren Kriegen, die um den Besitz des Elsass’ zwischen Deutschland und Frankreich geführt wurden, zerstört wurden. Aus diesem Grund wird seine Geschichte heute noch zitiert.
Schoepflin besaß selbst ein kleines MoneyMuseum. Er hatte eine Bibliothek von mehr als 11.000 Bänden und eine einzigartige Sammlung von Münzen, Medaillen und Antiquitäten, die er allen Interessierten zugänglich machte. Johann Wolfgang von Goethe, selbst ein begeisterter Sammler, dürfte sie nicht gesehen haben, denn er schrieb in Dichtung und Wahrheit über Europas damals bekanntesten Historiker: „Auch ohne nähere Berührung hatte derselbe bedeutend auf mich eingewirkt; denn vorzügliche mitlebende Männer sind den größeren Sternen zu vergleichen, nach denen, so lange sie nur über dem Horizont stehen, unser Auge sich wendet und sich gestärkt und gebildet fühlt, wenn es ihm vergönnt ist, solche Vollkommenheiten in sich aufzunehmen.“