„Neuer Atlas bestehend aus einigen ungewöhnlichen astronomischen Landkarten und vielen ausgewählten allerneuesten Landkarten von der ganzen Welt“, so nennt Johann Baptist Homann sein 1710 publiziertes Werk. Er ist stolz darauf, dass seine Städte „nach copernicanischen Grund-Satz der Bewegung des Himmels“ neu vermessen wurden, womit er sich auf dem neuesten Stand des Wissens befindet.
Das war wichtig zu Beginn des 18. Jahrhunderts, denn die deutsche Kartographie hatte bis dahin noch nicht von sich reden gemacht. Marktbeherrschend waren die Niederländer und die Franzosen. Der 1702 in Nürnberg eröffnete Verlag von Homann hatte eigentlich keine Chance, ihnen die Kundschaft abzujagen. Denn die Produktion von Karten war teuer, potentielle Gewinne marginal. Wer Karten schaffen wollte, der musste zu den Originalschauplätzen reisen und das Gebiet ausmessen. Homann hatte dafür kein Geld. Deshalb nutzte er bereits erschienene Karten, überarbeitete sie und druckte sie nach. So war er in der Lage, die eigenen Karten billiger produzieren und verkaufen zu können. Damit eroberte sich Homanns Verlag einen sicheren Marktanteil.
Homann hatte außerdem den Vorteil, dass ein Teil der älteren Landkarten hinfällig geworden war. Die Kartographie hatte sich zu einer Wissenschaft entwickelt, in der überlegt wurde, wie man die dreidimensionale Oberfläche der Erde optimal auf eine flache Seite bannen sollte. Mühe machte vor allem die Kugelgestalt der Erde. Sie verlangte nach unterschiedlich großen Längen- und Breitengraden.
Übrigens, nicht jeder „Neue Atlas“ besteht aus den im Register aufgelisteten 60 Karten. Ganz im Gegenteil. Das liegt daran, dass der Atlas nicht wie heute in einem Stück geliefert wurde, sondern in einzelnen Bögen kam. Man kaufte also nur die Bögen, die einen interessierten, und stellte sich so den passenden Atlas nach den eigenen Bedürfnissen zusammen.
Auf jeden Fall wird sich der Käufer das wunderschöne Titelbild geleistet haben, das die klassische Weltsicht mit den Errungenschaften der Moderne in Einklang brachte. Die Erde ist auf dem Titel nicht als Scheibe, sondern als Kugel dargestellt. Aber immer noch stützen Atlas und Herakles das Himmelsgewölbe. Sie trennen den Tag – im Westen des Abendlandes – von der Nacht, die über dem (türkischen) Morgenland liegt. Das ist symbolisch, denn es ist für den christlichen Homann Dunkel, wo die Botschaft seines Gottes nicht gehört wird.
Im Vordergrund sitzen Hermes mit seinem Merkurstab für den Handel und Tellus, Göttin der Frucht bringenden Erde, die gemeinsam den Wohlstand der westlichen Welt garantieren. Links von ihnen sehen wir Neptun, Beherrscher der Meere, mit dem Dreizack und Amphitrite, die ein Schiff auf ihrer Hand hält.
Kartographie ist übrigens nicht die neutrale Wissenschaft, als die sie sich gerne ausgibt. Im Gegenteil. Homann wertet. So wenn er dem Römisch-Deutschen Reich 16 Karten widmet, dem türkischen Imperium dagegen, das damals das Deutsche Reich an Ausdehnung weit übertraf, nur eine einzige. So wenn er das heilige Land, Teil des türkischen Imperiums, immer noch als eigene Karte zeichnet.
Und dieser Europazentrismus ist so geblieben, zumindest in Europa. Man zeige mir den Atlas, in dem die Darstellung Afrikas einen vergleichbaren Raum einnimmt, wie die Westeuropas.
Weitere Karten aus Homanns Atlanten finden Sie auf der Seite der Universitätsbibliothek Heidelberg.