Eindeutig: die Zeit war aus den Fugen! Jedes Jahr nahm Freiherr Sigismund von Hohenlandsberg weniger ein. Die Abgaben und Gebühren gingen zurück, während die Ausgaben für ein standesgemäßes Leben wuchsen. Und auch die eigene Machtposition als Grundherr wurde immer öfter eingeschränkt. Die mächtigen Herzöge und Grafen, die Bischöfe und Äbte setzten durch, dass alle einträglichen Geschäfte an ihre Höfe verlagert wurden. Früher hätte man die Söhne ja noch in den Krieg schicken können, um beim Plündern der Pfeffersäcke tüchtig abzusahnen. Aber das war vorbei. Die hohen Herren brauchten immer weniger Ritter. Sie bevorzugten Landsknechte. Söldner waren schließlich billiger, schneller verfügbar, befolgten Befehle (jedenfalls meistens) und beherrschten die neue Kriegführung – wie hieß es doch damals – von der Pike auf. Ritter? Die brauchte niemand mehr. Sie waren ein Auslaufmodell in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts.
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Johann der Starke von Schwarzenberg und Hohenlandsberg
So sah die Welt aus, in die Johann von Schwarzenberg und Hohenlandsberg als Sohn eines Ritters hineingeboren wurde. Sein Vater ließ ihn in all dem erziehen, was man als Ritter damals so brauchte. Der kleine Johann lernte also, wie man ritt, wie man eine Lanze hielt, wie man sich in adliger Gesellschaft benahm und das Wohlwollen einer edlen Herrin errang. Der Bub war lernfähig. Bereits mit 14 Jahren bestritt er sein erstes Turnier! Viele weitere sollten folgen. Josef gehörte zu den Besten in diesem noblen Sport. Kein Wunder: Er war über 1,90 m groß und bärenstark. Man erzählte von ihm, dass er Hufeisen mit bloßen Fäusten zerbrach und Stricke zerriss, die eine Kuh hätten festhalten können. Das trug dem jungen Mann den Beinamen "der Starke" ein, den er mit Stolz bis ans Ende seines Lebens trug.
Natürlich war so ein Leben nicht ungefährlich. Das Porträt, das Albrecht Dürer viele Jahre später malen sollte, hält fest, dass Johann der Starke zumindest einen lebensgefährlichen Hieb abbekam: Eine tiefe Narbe durchfurcht die rechte Wange. Wir dürfen sicher sein, dass das nicht die einzige Verletzungen war, die Johann der Starke im Lauf seines Lebens erlitt.
Doch trotz der ständigen Gefahr für Leib und Leben wurde man Ende des 15. Jahrhunderts als Ritter nicht mehr reich. Dabei stand Johann im Dienste des Kaisers. Dumm nur, dass Maximilian für seinen notorisch leeren Geldbeutel bekannt war. Den Löwenanteil sahnten nicht die Kommandeure, sondern die Kaufleute wie die Fugger und die Welser in Augsburg ab. Johann von Hohenlandsberg war viel zu clever, als dass er nicht gesehen hätte, woher der Wind wehte. Und so entschied er sich, die Branche und den Auftraggeber zu wechseln.
Er verließ den kaiserlichen Dienst und suchte bei den wesentlich potenteren Großen des Reichs unterzukommen. Sie brauchten erfahrene Männer – nicht für den Krieg, sondern für ihre Verwaltung. Das versprach ein sicheres Einkommen. Johann reiste also 1493 mit Friedrich dem Weisen, Herzog von Sachsen, ins Heilige Land; er diente dem bayerischen Herzog, dem Bischof von Würzberg und landete endlich seinen Volltreffer, als ihn der Bamberger Bischof 1499 zu seinem Hofmeister berief. Das Erzbistum Bamberg gehörte zu den mächtigsten Territorien des Reichs, und der Hofmeister stand an der Spitze der weltlichen Verwaltung. Für einen Mann wie Johann von Hohenlandsberg, der wahrscheinlich gerade mal schreiben konnte, war das eine unglaubliche Verantwortung.
Er löste sie bravourös, und das obwohl er weder an einer Universität studiert, noch Latein gelernt hatte. Johann muss die seltene Eigenschaft besessen haben, seine Helfer geschickt auszuwählen und ihre Loyalität zu gewinnen. Denn dieser Mann schaffte, woran andere Juristen scheiterten. Unter seiner Führung entstand eine neue, innovative Strafgerichtsordnung für das Erzbistum Bamberg. Sie verband römisches mit kirchlichem Recht und lokalem Gewohnheitsrecht so harmonisch, dass sein Gesetzbuch auf breite Zustimmung stieß.
Die Bamberger Strafgerichtsordnung wurde zu einem Meilenstein der Rechtsgeschichte. Ihren Schöpfer priesen seine Zeitgenossen als den führenden Juristen des Reichs. Kaiser Karl V. berief ihn in den Reichsrat. Johann nahm in dieser Funktion teil am Wormser Reichstag von 1521 und war entscheidend an den ersten Entwürfen für die Constitutio Criminalis Carolina beteiligt, an jener Strafgerichtsordnung, die unter dem Namen Peinliche Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V. im Jahr 1532 zum ersten allgemein gültigen deutschen Strafgesetz werden sollte.
Warum ausgerechnet Cicero?
Nur ein Jahr vor dem Wormser Reichstag, also 1520, hatte Johann einem Augsburger Drucker sein bunt illustriertes Manuskript anvertraut: Es enthielt nicht etwa einen juristischen Text, sondern eine Übertragung von De Officiis aus dem Lateinischen ins Deutsche. Geschrieben hatte diese philosophische Abhandlung über die Pflichten eines „gut und richtig lebenden“ Mannes der römische Senator Marcus Tullius Cicero. Und an dieser Stelle macht es Sinn, sich zu fragen, warum ein im Dienst der Fürsten aufgestiegener Ritter es für notwendig hielt, seine Standesgenossen mit dem Werk eines längst verstorbenen Römers vertraut zu machen. Um das zu verstehen, müssen wir erst einmal begreifen, welche Rolle Autor und Buch zur Zeit des Johann von Hohenlandsberg im zeitgenössischen Disput spielten.
Cicero wurde von den Humanisten des 15. Jahrhunderts als der große Repräsentant des republikanischen Roms gefeiert. Sie sahen in ihm ein Vorbild. Schließlich hatte er sich mit Integrität und Sprachgewalt gegen die Tyrannei eines Caesar und eines Marcus Antonius gewehrt. Dass die historische Gestalt Ciceros moralisch durchaus anfechtbar ist, war damals natürlich noch nicht bekannt. Die Humanisten priesen ihn als einen Märtyrer der Aristokratie, also der Herrschaft der Besten. Und dass nur den Besten die Leitung eines Staatswesens gebühre, das galt innerhalb der akademischen Elite als unumstritten. Schließlich hielten sie sich selbst für die Besten und damit für prädestiniert, Fürsten mit ihrem weisen Ratschlag zu lenken und zu leiten.
Ob im Staatsrat oder an der Tafel, die Herren Akademiker zitierten Cicero ständig. Besonders beliebt war dabei De Officiis. Cicero hatte es verfasst, als er sich nach den Philippicae, jenen Hassreden gegen Marcus Antonius, auf sein Landgut zurückzog. Dort saß er in seinem komfortablen Exil und schrieb ein Buch darüber, was für einen Mann von Ehre gut und nützlich sein könne. De Officiis subsummierte die stoische Tugendlehre, die über die Kirchenväter zu einem wesentlichen Teil der christlichen Morallehre wurde.
Der Inhalt? Nun, ich will Sie an dieser Stelle nicht mit Ciceros weitschweifiger Philosophie quälen. Seine Gedanken kreisen um die Frage, was ehrenhaft, was nützlich ist und ob es einen Konflikt zwischen dem Ehrenhaften und dem Nützlichen geben könne. (In seinen Augen nicht, was ehrenwert ist, ist zugleich nützlich.) Er formuliert die vier Kardinaltugenden, auf denen das Ehrenhafte beruht: Weisheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Mäßigung. Wer weise, gerecht, tapfer und mäßig handle, könne nicht anders als Ehrenhaftes zu tun, das gleichzeitig nützlich ist. Anhand von Beispielen aus der römischen Geschichte illustriert Cicero die praktische Umsetzung. Entscheidend für ihn ist dabei, dass der Nutzen der Gemeinschaft, also des Staatswesens immer über dem Nutzen des Einzelnen steht. Den Hedonismus, den Rückzug auf die eigenen Bedürfnisse abseits der äußeren Welt, lehnt er dabei vehement ab. Nicht der friedliche Eremit, sondern der tatkräftige Politiker ist laut Cicero gut und nützlich für die Welt.
Cicero als Ideal eines politisch aktiven Menschen
All dies klingt in Ihren Ohren vielleicht nicht sonderlich originell. Tatsächlich kann man über Wert und Unwert von Ciceros Thesen durchaus diskutieren. Es war keinesfalls selbstverständlich, dass ausgerechnet er Jahrhunderte lang so präsent blieb. Warum das geschah? Nun, das hing mit der Ausbildung des akademischen Nachwuchses zusammen. Alle mussten sich mit Rhetorik beschäftigen, und dafür lasen sie das Standardwerk von Quintillian. Es diente als Grundlage für den Unterricht und inszenierte Cicero exemplarisch als den vorbildlichen Redner, der – so Quintillian – beides besaß: eloquentia (= Redegewandtheit) und sapientia (= Weisheit). Erst Quintillian machte Cicero zu einem Klassiker, den der Kirchenvater Augustin genauso zitierte wie der heilige Thomas von Aquin.
Das hatte zur Folge, dass man Ciceros Werke das ganze Mittelalter hindurch las und abschrieb. Immer und immer wieder. So fanden die Humanisten auf ihrer Suche nach antiken Autoren in den Klosterbibliotheken überall Schriften Ciceros. Wer sie las, delektierte sich an dessen elegantem Latein. Sprachverliebte Gelehrte wie Petrarca oder Erasmus von Rotterdam waren des Lobes voll. Und so wurde Cicero auch zum Lieblingsautor des Humanismus. Sie zitierten die in De Officiis niedergelegten Ideen immer wieder.
Ciceros Bedeutung als Grundlage einer neuen Moral
Während die Ausbildung eines Ritters den Körper und seine Leistungsfähigkeit in den Mittelpunkt stellte, diskutierte man an den Universitäten darüber, was die Thesen Ciceros für eine effektive Verwaltung bedeuteten. Versetzen Sie sich in die Rolle eines Landesfürsten, der sich bemüht, sein Territorium zu zentralisieren. Wen würden Sie lieber an Ihrer Seite wissen: Einen tumben Haudrauf, der die Augen verdreht, wenn es um die moralischen Grenzen der Machtausübung geht? Oder einen eloquenten Juristen, der ihnen genau erklärt, unter welchen Umständen es moralisch vertretbar ist, den Bauern noch höhere Steuern aufzuerlegen, und wie Sie es vor dem Reichsgericht rechtfertigen, einen lokalen Geistlichen seiner Privilegien zu entkleiden.
Cicero und seine Botschaft, dass die Staatsraison unter zahlreichen Umständen durchaus die Mittel heiligt, kam da gerade recht. Johann von Hohenlandsberg dürfte oft genug gehört haben, wie die Herren Akademiker argumentierten, ehe er entschied, dass De Officiis seinen Standesgenossen helfen würde, die neuen moralischen Vorgaben zu verstehen.
Dumm, dass Cicero in lateinischer Sprache geschrieben hatte! Die beherrschten damals nur die Theologen und die Humanisten. Wie sollte Johann von Hohenlandsberg seinen Standesgenossen die komplexen Inhalte von De Officiis vermitteln? Und selbst wenn er eine erstklassige Übersetzung ins Deutsche geliefert hätte, wäre es damit noch lange nicht getan gewesen. Lesen Sie den Text selbst: Selbst wenn Sie Wort für Wort verstehen, wird sich Ihnen seine Bedeutung nicht sofort erschließen.
Sinngemäß oder Wort für Wort: Wie vermittelt man einen Klassiker?
Johann von Hohenlandsberg stand also vor dem Problem, einen komplizierten Inhalt einer bildungsfernen Gruppe – wie es die „normalen“ Reichsritter nun mal waren – so zu vermitteln, dass sie den Text nicht nur verstehen, sondern auch nutzen konnten. Und an dieser Stelle begreifen wir die Genialität Johanns, der selbst kein Latein gelernt, keine höhere Schulbildung genossen hatte.
Er beauftragte nämlich zunächst seinen Kaplan Johann Neuber, den Text aus dem Lateinischen ins Deutsche zu übersetzen. So frei und sinngemäß wie möglich. Dann nahm Johann selbst den Text, änderte Satzkonstruktionen, fügte hier ein Wort hinzu, ließ da eines weg. Und wenn ihm Cicero gar zu schwurbelig schien, strich er auch mal einen Satz, ja eine ganze Passage. Nach Abschluss dieser Phase holte er sich einen Humanisten, um sicherzustellen, dass inhaltlich nichts verloren gegangen war.
Der Humanist hieß Lorenz Behaim. Er amtierte als Notar in Bamberg, woher Johann von Hohenlandsberg ihn persönlich kannte. Behaim war eine Kapazität in den Altertumswissenschaften. Er hatte in Ingolstadt und Leipzig studiert, besaß Magister- und Doktortitel und kopierte akribisch alle römischen Inschriften, deren er habhaft werden konnte. Kein Wunder, dass ihn der Mangel an klassischer Bildung, die aus der ihm vorliegenden Übersetzung von Cicero sprach, entsetzte. Aber Johann von Hohenlandsberg gelang es, Behaim seine Zielgruppe ans Herz zu legen. Und so korrigierte der Humanist nach den Vorgaben seines ritterlichen Auftraggebers. 1520 war Behaim mit seiner Arbeit fertig. Entstanden war ein Kompromiss, ein Text, der frei genug übersetzt war, um für Menschen ohne klassische Bildung lesbar zu sein, gleichzeitig aber nahe genug an der Vorlage war, um einen klassisch gebildeten Menschen zufrieden zu stellen.
Doch der Text ist nicht das Wichtigste an dem Buch. Er blieb die Folie, auf der Johann seine Lernziele formulierte. Dafür wandte er eine völlig neue Form der Vermittlung an, die es sogar Analphabeten ermöglichte, den Philosophen zu verstehen und im Alltag anzuwenden. Johann von Hohenlandsberg illustrierte seine Lernziele mit vielsagenden Bildern und versah sie mit einem gereimten, leicht zu merkenden Sinnsprüchen.
Das neue Bild vom Geld
Sehen wir uns das an einem konkreten Beispiel an. Wie ging Johann von Hohenlandsberg vor, um seinen Standesgenossen einen zeitgemäßen Umgang mit Geld zu vermitteln?
Erinnern wir uns: Das neue Wirtschaften war eines der großen Themen des 15. Jahrhunderts. Die Fürsten brauchten immer mehr Geld, um ihre Söldnerheere und ihre neue Verwaltung zu finanzieren. Das war ein Problem, weil das traditionelle Verhältnis zwischen Lehnsherr und Vasall keine regelmäßigen Steuern vorsah.
Noch viel schlimmer war die kirchliche Ablehnung des schnöden Mammon. Jahrhunderte lang hatten Ritter ihre Frömmigkeit demonstriert, indem sie das Geld verachteten und es genauso schnell verschenkten und ausgaben, wie sie es einnahmen. Im Mittelalter war derjenige angesehen, der das meiste Geld verschwendete. Doch diese Zeit war vorbei. Jeder wusste, was ein Söldnerheer und die zugehörige Artillerie kostete. Deshalb gewann derjenige an Prestige, der solch hohe Kosten dank des in seinen Schatzkammern angehäuften Geldes zahlen konnte.
Das war ein Paradigmenwechsel, der bei den meisten Rittern noch nicht angekommen war. Ihn wollte Johann von Hohenlandsberg seinen Lesern einhämmern.
Und so zeigt die erste Abbildung zum Thema Geld nicht – wie früher unvermeidlich – einen Almosen gebenden Christen, sondern einen sorgsam rechnenden Hausvater, der in seinem Hauptbuch blättert. Links von ihm sehen wir die Linien, auf denen er vor Einführung der arabischen Zahlen Summen addierte und subtrahierte. An der Wand lehnen schwere Ballen mit Waren und Vorräten. Rechts beladen Männer einen Wagen, um die Waren dorthin zu transportieren, wo sie mit Gewinn verkauft werden können. Dass sorgsames Wirtschaften nicht mit verderblicher Geldgier zu verwechseln ist, lehrt der Sinnspruch über dem Bild: Wie der Mensch sich dem Guten zuwendet, sich nicht von bösem Gewinnstreben verführen lässt, das lernt man hier.
Das Jahrhunderte alte Angst, wegen der eigenen Geldgier vom Teufel geholt zu werden, war tief verwurzelt. Johann von Hohenlandsberg wusste das, und thematisiert es in seinem Cicero. Diese Abbildung zeigt uns den Teufel in Person, wie er sich an einen Adligen wendet und ihm einen Schatz zeigt. Wird Satan ihn in die Hölle verfrachten, diesen armen reichen Mann?
Betrachten Sie die Kette. Sie umschlingt zwar die Füße des Mannes, doch der Teufel hält sie nur in der Hand. Er hat den Reichen (noch?) nicht an sich gebunden.
Und tatsächlich hebt der abwehrend die rechte Hand. Er greift sich mit der linken an den Kopf, als wolle er fragen: Wo endet die sinnvolle Sparsamkeit, und wo beginnt die Geldgier?
Johann von Hohenlandsberg hilft dem Fragenden mit einem Sinnspruch: Das Geld zu fest nicht halt, noch lass. Der Freigebige sucht das rechte Mittelmaß. Zu viel nicht spart er oder vergeudet, er gibt freigebig, wo es die Vernunft gebietet.
Wie aber sah das im praktischen Leben aus? Als Ritter hatte man Verpflichtungen! Man konnte es sich nicht leisten, wichtigen Turnieren fernzubleiben und Gäste kärglich zu bewirten.
Um den richtigen Umgang mit Geld zu illustrieren zeigt Johann von Hohenlandsberg einen Hausvater in seinem hohen Lehnstuhl. Er erhebt die rechte Hand in einer Geste, die zur Vorsicht mahnt. Vor ihm stehen drei Personen: Ein junger, modisch gekleideter Mann, eine kostbar gewandete Hausfrau und ein junges Mädchen mit offenem Haar. Was sie vom Hausvater möchten? Das Geld für Vergnügungen, für Turniere, Festivitäten, die Jagd, schöne Kleidung, teure Waffen und Pferde. Im Hintergrund sehen wir, wofür sie das Ersparte ausgeben werden. Johanns Leser dürften beim Betrachten der Bilder nur verständnisvoll genickt haben. Sie kannten die Situation, dass ihr Geld nicht reichte, um alle Wünsche zu befriedigen.
Gleichzeitig weiß ein Johann von Hohenlandsberg natürlich, dass kein Ritter auf alle Statussymbole verzichten kann. Deshalb lautet sein Sinnspruch: Wer schimpflich Hab und Gut verprasst, lobt die Dummheit, die die Weisheit hasst. Doch die Freigebigkeit bringt es mit sich, dass man Kosten für die Kurzweil ausgibt. Das soll aber nur mit Maßen geschehen, wie hier angeregt wird.
Mit anderen Worten: Ja, man muss Geld ausgeben, schon um seinen Status zu demonstrieren, aber das soll innerhalb eines vernünftigen Rahmens bleiben, weil man sonst ganz schnell - und das ist links illustriert - am Bettelstab endet.
Natürlich möchte der Hausvater seiner geliebten Familie alle Wünsche erfüllen! Und nicht nur ihr. Der Pfarrer begehrt Almosen, die Pächter Steuererlass, der Lehnsherr Geschenke. Irgendwann sind selbst die größten Mittel erschöpft. Man kann nicht endlos allen geben. Man muss sein eigenes Wohlergehen im Auge behalten. Und genau das formuliert dieses Bild. Es umschreibt eine Botschaft, die wir heute Achtsamkeit nennen, das Wahrnehmen der eigenen Bedürfnisse. Johann von Hohenlandsberg formuliert das folgendermaßen: Der Weise soll angemessen in Acht nehmen die (eigene) Gesundheit genauso wie sein Geld und sein Gut.
Illustriert wird diese Botschaft links durch einen Mann, der zur Ader gelassen wird, rechts durch ein Bild, das wir schon kennen: Der Hausvater sitzt mit dem Hauptbuch am Tisch und berechnet, was er eingenommen und ausgegeben hat.
Wie aber ging man zur Zeit Johanns mit Armen um? Das zeigt uns exemplarisch dieses Bild. Der zugehörige Vers lautet: Ich bitte euch Herr, lasst euch erbarmen und stützt mich gefangenen Armen, um Gabe und Hilfe bitte ich euch sehr, damit es mir wieder besser geht. Die allermeiste Hilfe gebührt, wo man Not und Tugend verspürt.
Tatsächlich hat der reiche Spender in der Mitte die Wahl, wem er eine milde Gabe gibt. Da steht bescheiden auf der rechten Seite ein einfach, aber sauber gekleideter Mann mit seiner Familie. Er ist fromm – das sieht man am Rosenkranz – und beugt sich tief vor Dankbarkeit, weil er Geld erhält.
Unbeachtet bleibt der Adlige auf der linken Seite. Er appelliert an das Standesbewusstsein des Gebers, weist stolz seinen langen Adelsbrief mit dem kaiserlichen Siegel vor. Obwohl er kostspielig gekleidet ist – er trägt eine Goldhaube und seine Ärmel sind geschlitzt, damals der letzte Schrei – will er noch mehr Geld haben, wahrscheinlich nicht um sich Brot zu kaufen, sondern um es zu verschwenden.
Solchen Leuten gegenüber nein zu sagen, das rät Johann von Hohenlandsberg seinen Lesern.
Wie soll nun das finanzielle Verhältnis zwischen Fürsten und Untertanen beschaffen sein. Auch dafür hat Johann von Hohenlandsberg ein passendes Bild und einen passenden Sinnspruch parat: Böses solch ein Vormund tut, der stiehlt von seines Mündels Gut. Nicht weniger Du Herrscher strauchelst, wenn du allgemeines Gut missbrauchst.
Das Bild wiederholt einmal mehr den gut wirtschaftenden Hausvater mit Hauptbuch und Rechenlinien. Er gibt einem demütig um Unterstützung bittenden Mann, der nichtsdestotrotz reich gekleidet ist. Wieder sehen wir die modische Goldhaube und ein mit Pelz gefüttertes Barrett, das er in seiner Hand hält. Daneben steht erwartungsvoll sein Mündel. Es ist hilflos gegenüber dem Vormund und kann nur hoffen, dass der das ihm anvertraute Geld dazu nutzen wird, es zu nähren, zu kleiden und zu erziehen.
Sehen wir uns nun zum Schluss noch eine politische Botschaft an, die Johann von Hohenlandsberg bei Ratsversammlungen sicher nur zu oft gegeben hat: Bei existentiellen Bedrohungen nicht ängstlich sein und halbherzige Maßnahmen treffen, sondern alles in die Waagschale werfen, um die Gefahr zu überwinden. Oder wie der Sinnspruch lautet: Durch dieses Gleichnis merke hierbei, wenn Krieg und Kampf zu wagen sei, tu nichts zu ängstlich, noch zu frei, der Nutzen für alle versalzt keinen Brei.
Illustriert ist dieser Sinnspruch durch ein gestrandetes Schiff, aus dem die Kaufleute all ihre Waren werfen, um es leichter zu machen und so wieder flott zu bekommen.
Noch ein bisschen was zur Publikationsgeschichte
Als Johann von Hohenlandsberg sein Manuskript 1520 in Druck gab, tat er das – so eine sehr glaubwürdige Hypothese – bei einer der renommiertesten Druckereien in Augsburg. Dort befand sich damals das süddeutsche Zentrum des Buchdrucks. Dort hatte Sigmund Grimm seine Werkstatt, die Marx Wirsung finanzierte.
Doch diesmal hatte Johann von Hohenlandsberg sich verrechnet. Ende des Jahres 1521 starb Wirsung. Seine Erben zogen das Kapital zurück. Grimm geriet in eine wirtschaftliche Schieflage und konnte selbst begonnene Projekte nicht mehr beenden. 1525 publizierte er sein letztes Buch. Im Oktober 1527 wurde er für bankrott erklärt. Heinrich Steiner kaufte aus der Konkursmasse unter anderem bereits angefertigten Holzschnitte. Wahrscheinlich übernahm er auch das Manuskript von Johann von Hohenlandsberg. Doch der starb im Oktober 1528. So erlebte er den überwältigenden Erfolg seines Werks nicht mehr.
Dem MoneyMuseum ist es gelungen, die seltene Erstausgabe vom Januar 1531 zu erwerben. Noch im gleichen Jahr musste zweimal nachgedruckt werden, weitere Ausgaben erschienen 1532, 1533, 1535 und 1537, zwei Auflagen im Jahr 1540 und eine weitere 1545. Das macht insgesamt 10 bekannte Ausgaben!
Das darf uns nicht wundern. Die Cicero-Übersetzung des Johann von Hohenlandsberg erfüllte ein Bedürfnis der Zeit. Auch die Nicht-Humanisten wollten wissen, welche Werte dieser Cicero da vertrat, den all die gelehrten Herren im Munde führten!
Uns verschafft das Buch einen einmaligen Einblick in eine Zeit, in der vieles im Umbruch war und ein neues Verhältnis zum Geld sich in allen Schichten verbreitete.