Steuern sind ein unangenehmes Thema. Nichtsdestotrotz sind sie von existentieller Bedeutung für jedes Gemeinwesen. Wo der Wille fehlt, Projekte, die der Gemeinschaft nutzen, solidarisch zu finanzieren, kann kein unabhängiger Staat auf Dauer existieren. Doch um seine Bürger dazu zu bringen, diese Steuern zu akzeptieren und nicht zu verweigern, braucht ein Staat ein durchschaubares, nachvollziehbares und vor allem gerechtes Steuersystem.
Dies begannen die Herrscher der Aufklärung zu verstehen. Sie legten deshalb ganz besonderen Wert darauf, die Gebühren, die sie einzunehmen planten, den Besteuerten bekannt zu machen. Das Buch, das wir Ihnen heute vorstellen, legt davon Zeugnis ab. Es handelt sich um eine Aufstellung aller bayerischen Zölle und Straßengebühren. Wir haben es im Frühjahr 2021 in einer Auktion des auf bibliophile Bücher spezialisierten Münchner Auktionshauses Hartung & Hartung erworben.
Artikeltext:
Steuern im Zeichen der Aufklärung
Gehen wir also zurück ins Bayern des Jahres 1765. Dort herrschte seit 1745 Max III. Joseph. Er gehört zu den weniger bekannten Gestalten der Weltgeschichte. Das liegt unter anderem daran, dass er von seinem Vater ein ruiniertes Land erbte. Sowohl sein Vater als auch sein Großvater hatten große Pläne für die Dynastie der Wittelsbacher gehabt. Sie waren beide gescheitert, und nun war Bayern ihretwegen wirtschaftlich ruiniert. Auch die Bevölkerung hatte es satt, hohe Steuern zu bezahlen, nur damit ihre Herrscher sich mit eleganten Titeln schmücken konnten.
Max III. Joseph hatte also zwei Probleme: Er musste die immensen Schulden seiner Vorfahren tilgen und gleichzeitig die Steuererhebung so gestalten, dass sie die Akzeptanz seiner Bevölkerung gewann. Die allgemeine Maut- und Akzise-Ordnung von 1765 war ein wesentlicher Teil dieser Politik. Da die so genannte Akzise, eine Art Binnenzoll, der auf alle Handelsgüter erhoben wurde, im 18. Jahrhundert die wichtigste Einkommensquelle des Landes darstellte, war es von entscheidender Bedeutung, dass sich reisende Händler willig zeigten, sie zu begleichen, und die staatlichen Gebühren nicht durch Schmuggel umgingen.
Warum sich Selbstversorgung lohnte
Schmuggel war nämlich im 18. Jahrhundert genauso einfach wie heute. Die Zollstellen befanden sich an den Fernstraßen, und zwar jeweils dort, wo die Straße durch die Stadtmauer in eine Stadt führte. Umgehungsstraßen gab es nicht. Wer seine Waren an so einer Zollstation vorbeischmuggeln wollte, mied einfach die Stadt, riskierte dabei aber nicht nur Entdeckung und Bestrafung, sondern - zumindest wenn er mit einem Fuhrwerk unterwegs war - Achsbruch und Schlimmeres. Solange sich die Besteuerung im vernünftigen Rahmen hielt, war es also eine sinnvolle Alternative, auf der Straße zu bleiben und beim Eintritt bzw. Verlassen der Stadt die anfallende Gebühr für sich, sein Transportmittel und die Waren zu bezahlen.
Auf dieser Karte, die jeder bayerischen Maut- und Akzise-Ordnung beigegeben war, sind alle Zollstationen eingezeichnet. Es dürfte für uns, die wir uns schon aufregen, wenn an der Grenze ein Stau entsteht, beeindruckend sein, wie oft noch im 18. Jahrhundert ein Reisender an einer Zollstation anhalten musste. Wer zum Beispiel Waren von München nach Augsburg transportierte - heute eine Strecke, die der ICE in einer halben Stunde zurücklegt - , der passierte mindestens drei Zollstationen: bei Dachau, Friedberg und Augsburg selbst. Die Karte vermerkt jede Zollstelle für den Landverkehr mit einem Kreuz, jede Zollstelle für den Land- und Schiffsverkehr mit einem Doppelkreuz.
Dazu musste jeder, der die Straße über eine längere Strecke benutzte, wie heute auf der französischen Autobahn Wegzoll zahlen, die so genannte Maut. Die berechnete sich nach der Länge des Weges. An jeder Stelle, wo auf der Karte ein Doppelstrich eingezeichnet ist, gab es eine kleine Zollstation, an der Wegzoll einbehalten wurde.
Und damit sind wir bei der Subsistenzwirtschaft angelangt. Darunter versteht man eine Wirtschaftsform, bei der kleine wirtschaftliche Einheiten wie zum Beispiel ein Bauernhof alles vor Ort selbst erzeugen, was sie für ihre Existenz brauchen. Es lohnte sich früher, viele Güter des alltäglichen Lebens wie Kleidung, Geschirr oder Möbel vor Ort selbst herzustellen, auch wenn eine Manufaktur das schon damals wesentlich schneller und kostengünstiger erledigte. Denn ausschlaggebend für den Endpreis einer Ware waren eben nicht die Herstellungskosten, sondern die Zoll- und Transportgebühren, die sich mit jeder Zollstation, die ein Händler passierte, erhöhten.
Aal, Aprikosen und Agtstein
Wie gesagt, es ging nicht nur darum, die staatlichen Steuereinnahmen zu optimieren. Max III. Joseph wollte seine Bürger von seiner Steuer überzeugen. Deshalb ordnete er an, dass dieser Tarif in jeder lokalen Zollstelle einsehbar war und Händler ihn käuflich erwerben konnten. Max III. Joseph berichtet stolz, dass er mit seiner Reform zahlreiche Zollstationen eliminiert habe! Man mag sich gar nicht vorstellen, wie viele Stationen es VOR diesem Steuertarif von 1765 gegeben haben mag.
Richtig unterhaltsam wird es, wenn man einen Blick auf die Waren wirft, die der Besteuerung unterlagen. Wir greifen damit natürlich nicht den alltäglichen Verbrauch eines einfachen Bürgers, aber allein die Tatsache, dass eine steuerliche Einschätzung vorlag, zeigt uns, dass Waren wie diese gehandelt wurden und der Staat daran seinen Anteil haben wollte.
Der Tarif unterscheidet fein zwischen frischem und geräuchertem Aal bzw. frischen und getrockneten Äpfeln. Er listet lebende Adler, Affen, Schwanenfedern, Schweinsbälge und Seehundfelle. Kupferstiche waren steuerfrei, während die auf Druckplatten erhobene Maut nach Zentner Gewicht berechnet wurde. Mit jeder Station wurde der Zentner Druckplatten 6 Kreuzer teurer, jedenfalls wenn sie zu Wasser transportiert wurden, 3 Kreuzer, wenn der Händler die Landstraße benutzte. Der unterschiedliche Preis erklärt sich daraus, dass es mehr Zollstationen auf dem Land gab als entlang der Flüsse. Wurde eine Druckplatte verkauft oder exportiert, dann errechnete sich der Zoll nicht mehr nach ihrem Gewicht, sondern nach dem Verkaufspreis. Von jedem Gulden wurde ein Kreuzer Zoll einbehalten.
Man zahlte also nicht nur Zoll, sondern auch Straßengebühren, und das nicht nur für die Ware, sondern auch für das Transportmittel. Kutschen kosteten - leer oder beladen - pro Wegstunde einen Kreuzer. Für einen beladenen Lastkarren waren 2 Pfennige fällig, die sich bei einer Leerfahrt auf einen Pfennig reduzierten. Wer eine kleine Rinderherde in die Stadt trieb, zahlte nicht nur für jedes einzelne Tier Wegzoll, sondern auch für das Pferd, auf dem er ritt. Frei von Wegzoll waren nur diejenigen, die eine Zollstation auf ihrem täglichen Weg zum Feld oder der Weide querten.
Als es noch keine Kaufhäuser gab...
Auch wenn wir von der Vielfalt der bunten Warenwelt, die uns in dieser Akzise-Ordnung entgegentritt, beeindruckt sind, darf man sich doch nicht vorstellen, dass ein Bürger all diese Waren einfach so kaufen konnte. Es gab keine „Kaufhäuser“, wie wir sie heute kennen. Stattdessen bedienten sich die hohen Herren so genannter Faktoren, die in größeren Handelsstädten ihren Stammsitz hatten und mit Hilfe ihrer weit reichenden Verbindungen all das besorgten, was ein besserer Haushalt so brauchte.
Alle anderen Konsumenten waren auf die Jahrmärkte angewiesen. Unser Exemplar der Akzise-Ordnung versorgt uns mit einer Liste aller bayerischen Veranstaltungen. Sie zeigt uns, dass Bürger einer Kleinstadt nur zwei, drei, viermal im Jahr die Möglichkeit hatten, aus einem größeren Warenangebot zu wählen.
Heute ist uns die Vorstellung, nicht ständig alles kaufen zu können, derart fremd, dass wir es uns kaum noch vorstellen können. Auch Zollschranken erscheinen uns wie ein Relikt einer weit zurückliegenden Vergangenheit. Das 19. Jahrhundert hat unsere Welt in diesem Sinn geprägt. Doch man sollte sich durchaus bewusst machen, dass der Freihandel, den England im 19. Jahrhundert propagierte, zu Gunsten der großen Fabriken in Manchester und Birmingham viele lokale Produzenten ruinierte, die das Zollsystem des 18. Jahrhunderts geschützt hatte. Aber das ist schon wieder eine andere Geschichte.
Übrigens, Max III. Joseph schaffte es nicht, den Schuldenberg seiner Ahnen in den 32 Jahren seiner Regierung abzutragen, aber immerhin reduzierte er ihn durch seine sorgfältige Finanzpolitik auf die Hälfte. Das ist beeindruckend, gerade in der heutigen Zeit.
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Eine der größten Propaganda-Aktionen für den Freihandel war die Great Exhibition in London von 1851. Wir stellten in Bookophile einen Bericht vor, den der Deutsche Zollverein darüber anfertigen ließ. Dieser Deutsche Zollverein kämpfte übrigens für die weitgehende Abschaffung der Zollgrenzen innerhalb Deutschlands.