Bilder sagen mehr als tausend Worte. Dieser ausgelutschte Spruch stimmt häufig nicht, denn Bilder können auch sehr missverständlich sein. Aber Bilder können Eindrücke vermitteln, Geschichte veranschaulichen, wie es kein trockener Text vermag. Wenn Sie noch nie antike Säulenkapitelle gesehen haben, werden Sie kaum durch einen beschreibenden Text die Unterschiede zwischen ionischer und dorischer Ordnung genau verstehen. Da kann ein Bild Wunder wirken. Aus diesem Grund veröffentlichte E. Th. Hohler 1822 in mehreren Heften ein Werk, in dem er Wissen von der antiken Welt vermitteln wollte und in Zeichnungen Alltagsgegenstände und Bauwerke der Griechen und Römer erläuterte.
Artikeltext:
Eine Reise durch die antike Welt in Bildern
Für uns kaum noch vorstellbar, aber es gab eine Zeit ohne Fotos. Eine Zeit, als Sie sich antike Statuen oder Münzen nur in echt ansehen konnten, in einem Museum zum Beispiel, oder in Büchern bestenfalls in Stichen. Eine Zeit, in der Sie aber auch nicht mal zwei Wochen Sommerurlaub in Athen oder Rom verbrachten, wo Sie die echten Ruinen bestaunen konnten. In dieser Zeit, im frühen 19. Jahrhundert, waren die „Abbildungen Römischer und Griechischer Alterthümer nach Antiken“ mit ihren erläuterten Stichen hochmodern.
Der Autor, Emerich Thomas Hohler (1781–1846), war 1809 Hauslehrer der Fürsten Schwarzenberg geworden, deren prinzliche Sprösslinge er unterrichtete. Nebenher publizierte er Fachliteratur, die man heute als Schulbuchliteratur einordnen würde. Wir befinden uns in einer Phase, als das allgemeine Bildungswesen im Kaiserreich Österreich gerade erst im Aufbau befindlich war, Hohlers eigene elitären Zöglinge waren selbstverständlich die privilegierte Crème de la Crème der Gesellschaft. Doch bevor Hohler 1823 mit dem Titel fürstlicher Rat zum Hausbibliothekar der Fürsten ernannt wurde, veröffentlichte er noch 1822 das vorliegende Buch. Eigentlich handelt es sich um eine Sammlung von drei Heften, die tatsächlich den Anspruch hat, „die Hauptgegenstände der Althertumskunde durch sinnliche Anschauung zu verdeutlichen“. Hohler wendet sich an „Studierende“ und interessierte Laien, die so ihren Bildungshorizont erweitern können. Die Abbildungen sollten dazu beitragen, „die vollkommene Kenntniß der alten Geschichte, Literatur und Kunst zu befördern, und dem Studium der Althertumskunde und der Antiken einen höheren Reiz zu verschaffen“. Also gewissermaßen als Grundlage für eine gediegene Unterhaltung im bildungsbürgerlichen Salon.
Hohler dienen Objekte aus Museen und Sammlungen als Vorlage, die er idealtypisch widergibt. Jede Tafel ist einem Thema gewidmet. Tafel 1 zeigt antike Schreibgeräte, die auf den folgenden Seiten jeweils knapp erläutert werden. Die Texte geben somit eine Einführung in die antike Kulturgeschichte. Es folgen Tafeln zu Kleidung, Schmuck, Architektur oder Ehrenzeichen, zu militärischen Taktiken und Belagerungsgeräten, zu Opfergeräten, Wasserleitungen und Brückenbau. Kurz zu allem, was man damals von der Antike wusste und für elementar hielt.
Die Geburt der Altertumswissenschaft
Aus heutiger Sicht erscheint die Auswahl doch sehr „staatstragend“ und eingeschränkt. Aber erinnern wir uns: Zu Hohlers Zeit gab es noch gar keine Altertumswissenschaft. Dass er überhaupt Begriffe wie „alte Geschichte“ und „Alterthumswissenschaft“ verwendet, ist wegweisend. Erst eine Generation später etabliert sich die Beschäftigung der Antike im Wissenschaftsbetrieb als eigener Zweig mit eben diesen Namen und erlebt eine enorme Hinwendung und Begeisterung. Curtius und Winckelmann können als Gründungsväter der Klassischen Archäologie gelten, Mommsen legte mit seinen Schriften Grundlagen für Generationen. Im 19. Jahrhundert musste man überhaupt erst schriftliche Quellen und materielle Hinterlassenschaften sammeln, um auf dieser Basis wissenschaftliche Diskussionen führen zu können. Nicht umsonst ist dies die Zeit der großen Corpora, der Sammlungen von Papyri, Inschriften, Münzen oder Rechtstexten.
Die Bedeutung der Schulbildung
Doch mit dieser Entwicklung greifen wir bereits voraus in die Mitte und zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. Hohler wirkte etwa eine Generation früher. In dieser Zeit gab es praktisch noch keine umfassende Fachliteratur, keine wissenschaftlichen Handbücher, keine Lehrstühle und Experten auf dem Gebiet. Es waren von der Antike begeisterte Lehrer, Bibliothekare und Philologen wie er, die die Vorarbeit leisteten auf der Grundlage ihrer eigenen Lektüre und Besuchen in Museen. Diese Lehrer vermittelten ihren Schülern vor allem solide Sprachkenntnisse des Lateinischen und Griechischen und begeisterten sie dadurch für den antiken Kosmos. Aber ihnen eröffnete sich zunehmend auch die Welt der materiellen Hinterlassenschaften, die ausgegraben und dokumentiert wurde. Und Hohler begriff, wie wichtig die Anschauung dieser Welt war. Er gab einer breiten Öffentlichkeit eine Idee davon, wie man sich die Dinge vorzustellen hatte, von denen die antiken Texte erzählten.
Wenn wir also an die ersten Koryphäen der Altertumswissenschaften denken, an Mommsen, Winckelmann, Curtius oder Niebuhr, dann sollten wir uns auch an das Bild der Zwerge auf den Schultern der Riesen erinnern. Hohler mag kein Riese im Wissenschaftsgebiet gewesen sein, schon gar nicht im Vergleich zu der folgenden Generation. Aber Lehrern und Gelehrten wie ihm und ihren Werken verdankte die Altertumswissenschaft ihren großen Auftrieb im 19. und 20. Jahrhundert. Seine „Abbildungen Römischer und Griechischer Alterthümer“ versprühen noch heute die Begeisterung, die er an seine Mitmenschen weitergeben wollte. Eine Mission, die von Erfolg gekrönt war.
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Das Werk ist leider nicht digital erschlossen, Sie finden aber hier ein vollständiges Inhaltsverzeichnis.
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